Verlassene Uhrenfabrik in Thüringen – Ein Relikt der Zeit
Tief in Thüringen liegt ein heute verlassener Industriebau, der einst ein bedeutender Teil der ostdeutschen Uhrenproduktion war. Über Jahrzehnte hinweg wurden hier Millionen von Zeitmessern gefertigt – von klassischen mechanischen Modellen bis hin zu modernen Funkuhren in den letzten Betriebsjahren.
Die Anfänge reichen bis in die Vorkriegszeit zurück. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Werk in die Rüstungsindustrie eingebunden, bevor nach 1950 der Wiederaufbau der zivilen Produktion begann. In der DDR-Zeit wurde der Standort Teil eines volkseigenen Kombinats und spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und Fertigung von Uhren für den Inlandsbedarf wie auch für den Export.
Mit dem Ausbau der DDR-Mikroelektronik wurde das Werk in den 1970er Jahren nochmals erweitert. Dazu zählten nicht nur neue Produktionshallen, sondern auch umfangreiche Wohn- und Sozialbauten für die Belegschaft. Die gesamte Struktur spiegelte die damalige Planwirtschaft wider – effizient, zweckmäßig und auf lange Betriebsdauer ausgelegt.
Nach der Wende wurde der Betrieb in Form eines Joint Ventures mit einem westdeutschen Hersteller weitergeführt, um sich an die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Einige Jahre lang wurde weiterhin produziert – mit neuem Fokus auf Funkuhren. Werbematerialien in den verlassenen Büros zeugen noch heute davon – Schlagwort „Radio controlled Time“. Doch letztlich konnte sich der Betrieb nicht dauerhaft behaupten und wurde 2009 liquidiert.
Heute stehen die Gebäude leer. Viele Bereiche sind durch Vandalismus gezeichnet, einige Produktionsräume jedoch weitgehend intakt geblieben. Zum Zeitpunkt meines Besuchs war mir nicht bekannt, dass wenige Tage zuvor ein Brand im oberen Stockwerk ausgebrochen war – Spuren davon waren dennoch deutlich sichtbar.
Die Anlage ist ein stiller Zeitzeuge industrieller Entwicklung, des Wandels nach der Wende und der Herausforderungen einer sich verändernden Wirtschaft. Wer genauer hinsieht, erkennt in den Details – von Beschriftungen bis zu halb verblassten Plänen – ein Stück industrieller Alltagsgeschichte, die langsam von der Natur zurückerobert wird.